Tag 197 - 207: In Tälern, auf Bergen, im Matsch.
Voller Schwermut und vorzeitiger Sehnsucht mussten wir Sydney den Rücken kehren, allerdings doch recht vorfreudig auf das blickend, was uns in den nächsten Wochen erwarten sollte, zumal dieses Mal alles recht gut geplant war. Nach Tasmanien sollte die Reise an diesem lauwarmen Tag gehen, von der riesigen Großstadt ins beschauliche Launceston, die zweitgrößte Stadt Tasmaniens, der als "klein" bezeichneten "großen" Insel im Süden Australiens, von uns im Nachhinein auch gern das "Österreich" Australiens genannt.
Bevor es uns allerdings noch weiter südlich bringen sollte, musste erst einmal eine gemütliche Nacht am Flughafen rumgebracht werden, der Flieger ging erst am frühen Morgen.
Metallbänke und McDonalds-Böden sind übrigens nicht ganz so bequem, wie es vielleicht auf den ersten Blick scheinen mag...
Somit ging es eher semi-ausgeschlafen in den Flieger, in den etwas unbequemen Billigflieger-Sessel und raus aus dem Flugzeug. Wobei das Wetter allerdings noch deutlich unbequemer Einfluss an der Gesamtsituation nahm. Mit bitterkalten 10 Grad Ortstemperatur wurden unsere Gliedmaßen gleich ordentlich vom tasmanischen Wetter geschockt. Flip Flops, kurze Hose und Tank-Top waren aber vielleicht auch nicht die ganz angemessene Kleidung, kann ja kein Mensch ahnen im ach so dauerwarmen Australien. (:
Nachdem wir den freundlichen Gerrit nach seiner Reise mit seinen Eltern am Flughafen wieder getroffen haben, ging es ab ins Hostel und dann auch schon gleich an die Vorbereitungen für den Wandertrip, der am nächsten Tag anstehen sollte. Nach den ersten Vorwarnungen durch das Wetter in Launceston, haben wir die Packliste für den Overland Track auch richtig ernst genommen, ab in den K-Mart, Wintersachen kaufen.
Mit langen Unterhosen, Schals, Handschuhen und Mützen ging es zurück, schon ein wenig ängstlich auf die kommenden Tage blickend.
Dazu noch kiloweise Fertigessen, wir fühlten uns optimal ausgestattet.
Zwar konnten wir nicht mit platzsparenden Gaskochern und Töpfen punkten, nicht mit professionellem Wanderequipment und Outdoor-Klamotten, aber immerhin hatten wir für jeden Tag eine Portion Reis, eine Portion Nudeln und eine Portion Müsli mit Milchpulver mit. (:
Hat auch fast so gut geschmeckt, wie es klingt, preislich immerhin fast unschlagbar.
Also alles rein in die Rucksäcke, alles in wasserdichte Tüten packen und sich wenigstens halbwegs vorbereitet fühlen auf die nächsten 9 Tage.
Das letzte Mal ein weiches Bett genießen, in angenehmer Temperatur und ohne riechende Kleidung am Körper. Bis es dann am nächsten Morgen mit dem Bus zum Ronny Creek ging, dem Startpunkt des Overland Tracks.
Was uns genau zu dieser Multi Day-Wanderung getrieben hat, wissen wir eigentlich auch nicht mehr so genau, eigentlich waren es mehr tolle Landschaftsbilder und Beschreibungen als pure Wanderlust und Naturverbundenheit. Der Fakt, dass es dann noch einer der 10 schönsten Wanderwege der Welt sein soll, hat uns dann gänzlich die Zweifel ausgetrieben.
In tiefster Kälte starteten wir dann also dieses riesige Abenteuer, von dem wir allesamt noch keinerlei Vorstellungen hatten.
Hierbei deutete sich schon an, dass Mütze, Schal und Handschuhe zu den mit nützlichsten Utensilien dieses Tracks werden könnten.
Bereits der erste Tag war geprägt von wunderbaren Landschaften, grandiosen Aussichten und Muskelkater versprechenden Anstiegen, um erstmal auf die guten 1000 Meter Durchschnitts-Höhe zu gelangen.
Die Rucksäcke noch so unglaublich schwer und die Schultern noch so ungewohnt an haufenweise Reis, Nudeln und Wandersachen auf dem Rücken.
Dennoch wurden sie souverän Richtung Nirgendwo getragen, vorbei an unglaublich schönen Bergen, Seen und Tälern...
... oder durch schicke Landschaften.
Direkt zum Start sollte mit guten 1500 Metern einer der höchsten Gipfel erklommen werden, erklommen trifft es auch wirklich ganz gut. Auch wenn das Wetter eher neblig und diesig schien, eine kleine Klettertour zum Abschluss eines ordentlichen Starttags musste dann schon noch sein.
Und war den Blick von oben auch mehr als wert.
Schlimmer und schlimmere Temperaturen trieben uns allerdings dann doch recht schnell in die Emergency Hut, eine Portion mageren Reis mit mageren Bohnen hineinschaufeln und sämtliche halbwegs warmen Klamotten zusammen sammeln, um sich wenigstens im Ansatz auf eine Nacht mit Holzplanken unterm Rücken, siebzehn Schichten Kleidung am Körper und eisigem Wind durch die löchrigen Holzwände vorzubereiten.
Nur leider bieten Bodenbretter und Picknickdecke keine wirkliche Isolation, was die Nacht auch entsprechend kühl und kurz gestaltete. Nach ein wenig morgendlicher Grundhygiene ging es dann auch auf, den Track erst einmal so wirklich beginnen zu lassen, von Gipfel, zu Hütte, zu See und Tal.
Im Hintergrund sieht man im Übrigen unsere ziemlich wetterfeste und fast dichte Hütte aus der ersten Nacht.
In den kommenden Tagen sah der Plan eigentlich ziemlich gleich aus. Eine Hungerration Müsli zum Frühstück, eine gute Portion Wandern, ein etwas mageres Mittagessen, ein wenig mehr Wandern, um sich am Abend einer deftigen Minimum-Menge Abendessen hinzugeben. In ziemlicher Kälte natürlich. (:
Und auch wenn diese Beschreibung eher negativ angehaucht klingen mag, es waren grandiose Tage in den Bergen, wie man auch hoffentlich am Ende dieses sehr bilderreichen Blogeintrags mitbekommen haben sollte.
Durchweg gespickt von wunderschönen Landschaftsbildern, tollen Gruppenmomenten und epischen Blicken über die Weite. Und Leere. Und Ferne.
Aus einem dieser schönen Bergseen, -wasserfällen oder -flüssen wird dann auch das Wasser für die zwischenzeitlche "Stärkung" genommen, sehr viel frischer von der Quelle geht es eigentlich nicht. (:
Zumal das Wasser bei Weitem einen angenehmeren Geschmack im Gaumenbereich hinterließ als das das Leitungswasser aus Sydney...
Frisch und revitalisiert konnten neue Wege begangen und Gipfel erklommen werden. Auch wenn das mit den Gipfeln nur in den ersten Tagen ging, leider drehte das Wetter. Immerhin konnten wir aber noch grandiose Punkte wir den Mount Barn Bluff mitnehmen, der uns schon aus der Ferne auf sein Gipfelplateau einlud.
Auch wenn der Weg dorthin lang, der Aufstieg hart und die Beine schwerer wurden, die Aussicht von den Gipfeln war prinzipiell mehr als überragend, man hatte irgendwie dieses absolute Freiheits- und Erhabenheitsgefühl. Zusätzlich zur wunderbaren Sicht natürlich.
Glücklicherweise lief die abendliche Nachtruhe allerdings doch etwas anders ab, als ursprünglich erwartet. Zwischen all den Tagestrips tauchte ab und an mal wieder eine Hütte im Wald auf, die Einem wenigstens ein wenig Schutz vor Wind und Wetter boten.
Bei Hütten sollte man jedoch nur nicht an schöne Almen denken, die warme Köstlichkeiten und kühles Bier vertreiben, eher ein paar Wände mit Dach, Holzbänken und mehr als gemütlichen Holzbrettern, um sein Nachtlager aufzuschlagen.
Somit war es immerhin ein Stückchen wärmer als die Temperaturen um den Gefrierpunkt außerhalb. Dennoch wurde es in der Nacht bitterkalt, selbst wenn ein paar Mitwanderer ebenfalls ihr Bestes gaben, die Hütte warm zu atmen.
Neben uns starteten nämlich noch weitere sieben Wanderer den Track, die meisten davon traf man jeden Abend am nächsten kühlen Holzkomplex wieder. (:
So kam ab und an doch mal ein Mensch in unser Blickfeld, wenn wir schon 9 Tage lang keinerlei Autos, Straßen, Häuser und andere zivilisierte Dinge sahen.
Und um den ganzen Menschen neben unseren ohnehin schon stinkenden Wandersocken, -shirts und -hosen nicht noch mit müffelnden Körperteilen auf die Nerven zu gehen, war sogar aller paar Tage mal ein wenig Waschtag angesagt.
Mal im wunderschönen (und gar nicht mal so kalten) Bergsee mit Bergblick, mal im dafür umso kälteren (und wirklich absolut, unglaublich, kurz-vor-dem-Gefrierpunkt-kalten Fluss im Gebirgsregenwald. (:
Also eher weniger Waschen, sondern mehr Anfeuchten und Frische einbilden - völlig ausreichend.
Zumal auch das Wetter nach ein paar ersten richtig schönen Tagen umschlagen sollte, Regen vertrieb den fröhlichen Sonnenschein. Wir ließen uns die gute Laune dennoch nicht nehmen, wenn die Schuhe erstmal nass waren, haben einen die überfluteten Wege und Flüsse, die über die Strecke getreten waren auch nicht mehr gestört.
Zumal wir optimal ausgestattet waren, ich wüsste zumindest nicht, warum uns all die Wanderfans ausgelacht haben, als wir unsere Füße und Waden professionell in Mülltüten gewickelt haben. Manche mögen es unvorbereitet oder simpel nennen, wir waren einfach nur begeistert, derart stylisch durch Flüsse zu waten, über Pfützen zu springen und Wasserkulturen in den Schuhen zu züchten.
Die recht stetigen Regenfälle kamen uns in so mancher Hinsicht aber auch mehr als nur zu Gute, die schier endlos scheinende Wanderstrecke führt an so manchem Wasserfall vorbei, die sich natürlich in diesen Tagen noch eine ganze Ecke spektakulärer zeigten.
Einfach den übergetretenen Flüssen und dem Rauschen der Wassermassen folgen.
Nur gingen diese wunderschönen Landschaftsbilder auch irgendwie mit durchnässten Klamotten einher. Jede Hütte ist allerdings mit einem Ofen und riesigen Kohlecontainern ausgestattet, wodurch wir wenigstens halbwegs versuchen konnten, die Sachen für ein paar Stunden zu trocknen.
So hatten wir fast täglich das Vergnügen, auf die gute alte Art Feuer zu machen und einen Hauch von Wärme in die kühle Berghütte zu bringen.
Und wenn man gerade nicht vergebens versucht hat, den Ofen zum Laufen zu bekommen, konnte man sich auch mit dem ein oder anderen wild umher hüpfenden Getier beschäftigen, von Opossums, ...
..., dem ein oder anderen Wallaby als kleinen Bruder vom Känguru, ...
..., oder ein paar Wombats, die wie kleine, dicke Bären durch die Gegend stapfen. Dieses doch eher halb misslungene Foto ist nur leider das beste, dass wir machen konnten. (:
Trotzdem süüüüß.
So hat man sich immerhin noch die Zeit bis zum Sonnenuntergang gestaltet, sobald es dunkel wird kann man eigentlich nicht mehr wirklich was machen. Außer unserer 5 Dollar-Kopflampe brachte nichts wirklich Licht in unser Dunkel, weswegen es jeden Abend gegen 20 Uhr ins Bett ging, um nach gemütlichen 12 Stunden Schlaf von den ersten Sonnenstrahlen aufzuwachen.
Auch wenn man gut die ein oder andere Stunde abziehen kann, die gar nicht mal so weiche Unterlage brachte immerhin innerliche Schmerzensschreie und wunde Knochen mit sich. (;
Somit konnten wir also Tag für Tag und Stunde für Stunde auf dem Pfad durch die Berge wandern, bis man endlich nach acht Tagen den Lake St. Clair erreichte, den Endpunkt des Tracks.
Um welchen sich zwar noch eine ordentliche letzte Tagestour zog, die allerdings völlig entspannt angegangen wurde. Das Wetter wurde zum Abschluss nochmal phänomenal, die Umgebung nochmal richtig schön und die Freude über den beinahe geschafften Weg immer größer. (:
Bis man dann endgültig an einem total fremden Ort ankam, wo man auch durchaus mal wieder ein Auto oder einen Streifen Asphalt entdecken konnte. Oder auch ein kühles Boag's Draught auf einer herrlichen Sonnenterasse, über diesen Fund waren wir sogar noch ein bisschen entzückter.
Zumal diese flüssige Freude aus tasmanischer Braukunst zu den besten Bieren Australiens zählt. (:
Eine letzte Nacht in der Kälte und eine erste und einzige Probe für unsere "Profi"-Zelte, ein toller Sonnenaufgang am Wasser und das Gefühl, alles richtig gemacht zu haben.
Alles in Allem waren die gesamten neun Tage noch viel fantastischer als wir sie uns vorgestellt hatten. Auch wenn es ein vollkommen Backpacker-untypisches Erlebnis war, haben wir auf den 110 km quer durch Tasmanien in so kurzer Zeit so viel gesehen, Erfahrung gesammelt, immensen Spaß gehabt und unglaublich gefroren.
Und noch dazu völlig gesund gelebt, frische Bergluft, viel Bewegung und keinerlei hopfenhaltige Flüssigkeiten im Gepäck. (:
Dennoch haben wir uns mehr als gefreut, wieder in die Zivilisation zurückzukommen, seit der ersten Portion Reis mit Baked Beans lief uns schon das Wasser im Mund zusammen - wann immer wir an all die Köstlichkeiten dachten, die man gerade nicht im Rucksack hat.
Und wie es der Zufall so will kam der Bus zurück nach Launceston genau am Dienstag an, was uns natürlich direkt zum Pizza Tuesday trieb, dieses Mal verdienterweise mit anderthalb Pizzen. (:
Orale Geschmacksfeuerwerke und Geräusche des Genusses verbreiteten eine glückliche und zufriedene Stimmung, auch wenn der Overland Track unser einziges Erlebnis in Tasmanien war, verlassen wir diesen schönen, ruhigen und völlig abgebrannten Bundesstaat Australiens mit ausschließlich positiven Eindrücken. (:
Und nachdem wir uns soeben mit Doppel-Beef-Doppel-Cheese-Burger noch mehr Wunschträume erfüllt haben, geht es gleich auf zum Flughafen, am Abend fliegt uns eine freundliche Maschine zur zweitgrößten Stadt dieses Kontinents, nach Melbourne.
Auch dort werden wir noch zu viert rumhängen und hoffentlich vielversprechende Aktivitäten in Angriff nehmen, auch wenn wir eigentlich noch recht planlos sind. Was auch immer uns die letzten Wochen hier unten versüßen wird, gibt's wohl am Sonntag zu lesen, haltet euch frisch.
Berg Heil!
Pulli, Hose, Schal und Socken,
die mit Duft und Flecken schocken,
Kälte kommt trotz Wintersachen,
warmen Reis mit Bohnen machen,
durch große, weite Täler ziehen,
in Pfützen, Schlamm und Matsch reinknien,
auf riesengroße Berge steigen,
vor der Ferne sich verneigen,
acht Tage nur auf uns gestellt,
in diesem schönen Teil der Welt.